Malheur in Überlänge

Die Mär vom qualvollen Ableben des kaiserlichen Hofastronomen Tycho Brahe im Jahre 1601 muss uns Nachgeborenen noch heute als Memento in den Ohren schrillen. Er starb an einem Blasenriss, den er sich zehn Tage zuvor an der Tafel Rudolfs II. zuzog. Etikette untersagten, das Gelage vor dem Kaiser zu verlassen. Wo einst Spanisches Hofzeremoniell Harnverhebung vorschrieb, da thronst heute du, Film mit Überlänge! Drei Stunden opulentester 3-D-Prachtentfaltung lässt du ohne Pause prahlerisch über den Zuschauer hinwegbrausen. Passionierte Kinogänger wissen: nicht ohne Qualen! Denn mit Filmstart wird sozusagen eine Lunte in jedem Besucher angezündet. Man hofft inständig, sie möge bis zum Filmende glimmen, ohne dass jene Art Malheur passiert, das man auch außerhalb eines Lichtspielhauses gern vermeiden möchte. Erschwert wird die Belastungsprobe durch den 0,4-Liter-Becher klebrigen, mit Zuckercoleur gefärbten Wassers, der einem kurz zuvor per Gutschein an der Kinokasse aufgeschwatzt wurde. Aus dieser Saat kann in den folgenden 180 Kinominuten nur zweierlei Gewächs aufgehen: Entweder der Lorbeer des Triumphs des Willens, allerdings verbunden mit einem inwändigem Gluckern, das einen zwingt, gefüllt bis zum Kragenknopf noch während des Abspanns zur Rinne zu hetzen. Oder die Sumpfdotterblume des Versagens, weil man noch während des Films mit steinhart aufgeqollener Blase in die Katakomben eilen musste. Was ohne Grubenlampe im Dunklen etwas schwierig ist, zumal, wenn man in der Mitte sitzt. Wir fordern – nach der 3-D-Brille: erfinde endlich einen Kino-Katheder, Hollywood!

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