Zappelwelt

Jeden Morgen dasselbe: Eben noch ist es so friedvoll, dass wir noch im Halbschlummer jenem geheimen Raspeln lauschen können, mit dem der Wind falbe Blätter über den Teer der Alleen treibt; so still, dass wir – horch! – weit, weit weg leise Kies knirschen hören unter den Füßen eines einsamen Wanderers. Und dann macht’s plötzlich Zack – jäh ist’s aus mit dem Frieden! Mit Raketengedröhn donnert sich die Welt wütend ins Bewusstsein,  Nachrichten aus aller Welt rütteln sich grölend in unser armes, noch verschlafenes Köpfchen, neben dessen Ohren Werbefuzzis unentwegt eine Schrotflinte nach der anderen abfeuern. Ehrlich – wenn der Tag morgens anfängt auf uns einzuballern, einzuhämmern in dieser unserer manischen Postdemokratie, dann kommt  uns das immer so vor, als würde sich ein in  Glöckchen, Schellen, Rasseln geschnürter Psychopath mit Anlauf (und während dessen in ein Megaphon brüllend) in ein Magazin voller Kesselpauken, Gongs, Becken und Triangeln stürzen. Betreuungsgeld, Sicherheitskonferenz, Wettskandal, Börsensturz oder Schavindel in den Doktorarbeiten der politischen Elite – die Welt trampelt uns permanent auf den Zehen herum wie ein kreischender Tasmanischer Beutelwolf mit Stahlkappenstiefeln an. Gar nicht schlecht eigentlich, wenn in diese Situation nach der Rassismus-, Antisemitismus-, Sexismus-Debatte nun weiterhin eine Ritalin-Debatte geführt wird: Unser Standpunkt: die Welt kann gar nicht genug Ritalin schlucken – aber warum es die Ärzte nicht denen verschreiben, die diese ganze fahrige Hektik auslösen, wird wohl bis auf Weiteres deren Geheimnis bleiben.

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