Frühlings-Verstörungen

Frühling lässt sein blaues Band wieder flattern durch die Lüfte, und alle Kreatur verheddert sich in Hormonen; man mag es uns also nachsehen, wenn wir heute für eigenhändig erbrütete Einstiege zu zerstreut sind; Das mag jener Verstörung geschuldet sein, sie stets mit den ersten Krokussen sich einstellt, weil ab da im Straßenverkehr gern der Arm leichenhaft starr aus dem Autofenster gehängt wird. Arge Unsitte, das! Und sie scheint genetisch auf dem Y-Chromosom verankert zu sein. Gleich neben jenem Gen, dass Männer bei Frühlingsbeginn zwingt, just die albernste Stelle des männlichen Leibes – die zwischen Hose und Socke – mit leberwurst- oder eiterfarbenen Socken und Sandalen kühn zu akzentuieren. Frauen sind da anspruchsvollere Wesen mit zwei Schränken voll nichts anzuziehen. Vom vergeblichen Hin- und Herblicken im Kleiderschrank ist manch zarter Damenhals schon ganz wund gescheuert. Unleugbar hängt dort zwar genug, um  Rotten von Frühlingsgöttinnen auszustatten, aber: es ist Vorjahresmode, ein für heterosexuelle, farbenblinde Männer unübersetzbarer Begriff; am ehesten könnte man ihn mit „untragbar“ verdolmetschen. Für die Entwertung des Kleiderschrank-Inhaltes sorgt jeden Frühling irgendein gespreizter Modeschnösel mit Parolen wie „Rot ist das neue Grün“. Verständnislosigkeit bezüglich dieser Hergänge versucht mann hinter Ironie zu tarnen: Ob frau wohl auch einen Kuhschwanz um den Hals trüge, wenn es Modezaren einfällt? Solche Spitzen laufen ins Leere; Modebewusste Frauen täten das – aber leider haben sie zwei Regale voll keine Schuhe dazu.

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