Umstellt von Oasen

Vermögen ist für schwache Charaktere offenbar ein Anreiz, sämtliche seelischen Energien zu dessen Vermehrung zu verschwenden. Und das dabei unverzichtbare Ornament am Denkmal-Sockel unserer Eliten scheint, besagtes Vermögen durchs Nadelöhr der deutsch-schweizerischen Grenze zu zwängen. Warum nur haben Leute, die mehr besitzen als Andorra, so große Furcht, durchs Steuernzahlen zu verarmen? Keine Angst, liebe Leser, wir stimmen hier nicht ein in den Chor derer, deren Verfolgungseifer gegenüber Uli Hoeneß und anderen schon Züge religiösen Wahns annehmen. Eher befällt uns ein gewisses Mitleid mit jenen, denen dieser Tage anlässlich ihrer verpassten Selbstanzeige (eine Art vorauseilender Nachträglichkeit) die lachsfarbene Röte des Ertappt-Seins ins Gesicht steigt. Denn wenn sonst „Flucht“ in der Geschichte immer etwas wild-romantisches hatte: Steuerflucht ist ausgesprochen dröge und bürokratisch. Und anders als wir Anderen sind unsere Reichen unaufhörlicher Zudringlichkeit von klebrigen Bank- und Finanzberatern ausgesetzt, sie sehen sich permanent von einem Rondell aus Steueroasen umstellt, und das Rauschen goldener Saiten im Gitarrenspiel der eidgenössischen Anlage-Helfer zieht unsere bundesdeutschen Millionäre unweigerlich in den Schlund steuerrechtlicher Verderbtheit. O Schweiz: Umtändelter, umsumpfter, grün gepolsterter Aufenthalt anonymer Vermögen! Wir können nur spekulieren, warum sie es tun, aber: Vielleicht hat ja jene stumme, unbewusste Angst vorm Erwischt-Werden für unsre Eliten einen raffiniert-erotischen Reiz. Anders ist die Sache schwer erklärlich.

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