Beuget die Knie!

Man stelle sich vor, jemand sagt bei einer x-beliebigen Mitfahrgelegenheit: „Ich nehme Sie mit – aber Sie müssen zuerst hier vor meinen Augen 30 Kniebeugen machen.“ Die Entgegnung: „Fahr zur Hölle!“ wäre die unsrer Ansicht nach einzig angemessene Replik. Aber da stehen wir womöglich allein. In der Moskauer U-Bahn können Fahrgäste erstmals für ihr Ticket nicht mit Geld, sondern mit sportlicher Betätigung zahlen. Der eigens dafür entwickelte Ticket-Automat wurde kürzlich in der Metro-Station Wystawotschnaja aufgestellt, als Werbung für die Winterolympiade 2014 in Sotschi. Wer 30 Rubel fürs Ticket sparen will, stellt sich vor eine Kamera und macht in zwei Minuten 30 Kniebeugen. Dann spuckt das Gerät eine Freikarte aus. Wir wollen nicht nörgeln, aber: Die Idee ist von überschaubarer Originalität. Viele unsere Kleinsten sind da einfallsreicher („Du darfst ins Baumhaus, aber erst tanzt du uns den Wackelpudding-Tanz!“). Aber was soll man erwarten von einer Veranstaltung, deren Hauptattraktion darin besteht, dass der Stärkere den Schwächeren besiegt? Anderswo war die Reaktion nicht ganz so zurückhaltend wie bei uns. So wurde diese Meldung von einem Internet-Nutzer mit dem verräterischen User-Namen „Sportlehrer“ folgendermaßen kommentiert: „einfach genial! sofort in Berlin einführen und diesen übergewichtigen Hartzlern und Bettelstudenten Beine machen! Dann zahlen wir auch alle weniger Kassenbeiträge!“ Wenn Internet-Kommentare stinken könnten, dann…puh! Tja, liebe Moskauer Marketing-Strategen: Man sollte sich immer vorher überlegen, von wem man hinterher Applaus bekommt.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Kolumnen. Bookmarken: Permanent-Link. Momentan ist weder das Kommentieren noch das Setzen eines Trackbacks möglich.

  • Kategorien

  • Archive