Chi-Chi rund ums Männerkinn

Während das politische Deutschland noch grübelt, schärfere Sanktionen zu ergreifen indem es Ivan Rebroff zurück nach Russland schickt, wächst sich – im buchstäblichen Sinne – im modebewussten Deutschland ein Aufstand zur regelrechten Revolte aus: Der Bart ist zurück! Gesichtspullover seien wieder in Mode, so zahlreiche Medien. Vielleicht stimmt es ja trotzdem. Nun ist zuzugeben: so ein Vollbart ist praktisch wie ein Fischstäbchen. Seine Anschaffung kostet für gewöhnlich nichts als ein bisschen Ruhe und Konzentration. Dafür macht er ab einer gewissen Engmaschigkeit seinen Träger so gut wie kugelsicher und regendicht, kann leicht mehrere Liter Nudelsuppe aufnehmen. Und sorgt – Beispiele von Karl Marx bis Jassir Arafat illustrieren – für stets bildmächtiges Auftreten. Soweit, so schön. Kaum hat sich aber der Pulverdampf unbesorgten Dahin-Behauptens verzogen, wird für viele trend-bewusste Söhne des Volkes sichtbar: die angebliche Mode kann sich leicht zum selbstdarstellerischen Tunguska-Ereignis auswachsen! Denn an so mancher Wange, um so manches Kinn herrscht Ödnis, kann karger Bewuchs die Blöße nicht decken, trotzen feminine Randzonen konzisem Aufschießen. Und so meldete kürzlich die „Welt“, in Amerika nähmen Schönheitschirurgen angesichts des Trends mittlerweile bis zu 5800 Dollar, um per Skalpell die angesagte Länge und Dichte herzustellen. Was für Snobs! Wer den Bart derart überschätzt, zeigt nur, dass er – um einen tiefen Spatenstich ins Beet botanischer Metaphern zu wagen – auch sonst im Leben gern von der Länge des Stiels auf die Schönheit der Blüte schließt.

Dieser Eintrag wurde veröffentlicht in Kolumnen. Bookmarken: Permanent-Link. Momentan ist weder das Kommentieren noch das Setzen eines Trackbacks möglich.

  • Kategorien

  • Archive