Hoch die Tasse!

Eine über 500 Jahre alte Tasse aus der Ming-Dynastie ist bei einer Auktion in Hongkong für umgerechnet 26 Millionen Euro ersteigert worden. Mancher unter uns überprüft schon Möglichkeiten, eine eigene Keramikproduktion anzukurbeln. Oder grollt mit sich, dass er sich vielleicht zu achtlos beim letzten Sperrmüll seines Terrakotta-Aschenbechers aus dem Werkunterricht der 9. Klasse entledigte. Wir dagegen rätseln, ob eine 26-Millionen-Teetasse zweckmäßig in den Alltag eingebettet werden kann. Ist sie spülmaschinenfest? Darf man überhaupt aus ihr trinken, oder verliert im selben Moment die Tasse schon die Hälfte ihres Wertes? Nagt man sich nicht permanent die Fingernägel bis zum Ellenbogen ab vor Angst, weil Meteoriteneinschlag, Flugzeugabsturz, Erdbeben ebenso wie ein einfacher Nieß-Anfall den Bankrott bedeuten? Selbst die Vibrationen eines vorbeidonnernden 40tonners dürften den Besitzerstolz verfinstern und den Angstschweiß in Gießbächen den Rücken hinunter rauschen lassen. Ein gewisses Potential läge darin, das Tässchen der Gattin bei Empfängen als Ohrring anzuhängen. Aber soll man dazu wirklich ermuntern? Dass zwangsweise ein Ohr ungeschmückt bliebe, durfte bei Uneingeweihten die Anmutung zeitigen, da habe wohl wieder mal einer mit den Großen pinkeln wollen, aber das Bein nicht hoch genug heben können. Einzig sinnvoll und zugleich herrlich dekadent: Die Tasse in einem melodramatisch aufgeladenen Moment der Verzweiflung gegen den 40-Millionen-Van-Gogh schleudern, dass die Scherben fliegen. Was lernen wir daraus? Nur in wahrhaft Nutzloses investiert jemand 26 Millionen.

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