Der Lenz und die Balz

Mai – ein Tollen und Rammeln in Wiesen und Wäldern und allüberall! Der Mensch aber? Auch er ist zur Balz geboren – und liegt doch überall in Ketten! Das statistische Bundesamt ermittelt seit 2003 einen echten Bevölkerungsschwund, die Zahl der Geburten hält sich bei 1,38 Kindern pro Frau. Bei genauem Hinsehen können so traurigen Zahlen indes keinen überraschen – des Menschen Balzverhalten ist nämlich mit Abstand das Ödeste, das sich denken lässt („He, können wir uns nicht von irgendwo her?“). Solche Tristesse aber steht in schärfstem Kontrast zur geschlechtlich sich fortpflanzenden Umwelt, was keinem verborgen bleibt, der jetzt offenen Auges durch maigrünen Flure stapft: Der trutzige Eber stampft aus dem Gehölz und zeigt der Bache die eindrucksvoll geschwollenen Steine (Jäger-Jargon). Dampfend röhrt der Hirsch im Morgennebel, des Geläutes eindrucksvolles Rund hinter sich herschwenkend, dann und wann eine Krüppelkiefer per Mittelstrahl benieselnd und markierend. Und du, o Borkenkäfer! Selbst du mutierst im Mai zu Don Juan, unter der Rinde frisst du Gänge, die in den beim Borkenkäfer-Weibchen so beliebten, vom Revierförster aber ebenso gefürchteten „Rammelkammern“ enden. Mit unzählbar fruchtbaren Folgen. Du Menschen-Männchen dagegen? Nie zeigst du dein Geläute, nie grubst du eine Rammelkammer in die Borke (vielleicht aus Respekt vorm deutschen Tann), nie markiertest du auch nur mit dem Nachlauf das Büro-Gummibäumchen. Eigentlich sollte unsere Gattung allmählich in Erwägung ziehen, sich künftig ungeschlechtlich durch Zellteilung fortpflanzen.

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