Planet der Schweine

Laut Spinoza ist die Natur ein denkendes Wesen, dass sich der Gestaltung seiner selbst bedient, um allmählich den Zustand absoluter Vernunft herzustellen. Nun – das deutsche Wildschwein sträubt sich entweder noch, oder es hat in Spinozas Philosophie schlicht keinen Platz: Es vermehrt sich in allem Möglichen, nur nicht im Zeichen der Vernunft! Beinah verdreifacht haben soll sich der Bestand, was die Landwirtschaft schädigt und den Straßenverkehr gefährdet, so Fachleute. Wie das kommt? Zum einen hat Fortuna das Füllhorn von Bucheckernmast und Mais-Anbau geradezu verschwenderisch über den Sauen ausgegossen. Zum anderen liegt es am deutschen Jäger: Einstmals hat er mit Halali und Büchsenknallen der Wildsau hinterher gehetzt; oder er lag wenigstens lauernd im Hochsitz, während das dumpfe, beschwörende Trommeln des eigenen Blutes ihm die Ohren durchdröhnte. Dagegen heute? Deutsche Nimrode strumseln und stolpern ebenso überfordert durch den Wald wie eine Erstsemester-Soziologie-Studentin, die an einem Freitag Abend zum ersten mal kellnert (eine schöne Metapher, die wir hiermit endlich einmal untergebracht hätten). Behaupten jedenfalls manche Bauern. Aber ebenso, wie Ertrinkende panisch Planken um sich sammeln, so sammeln die Jäger Ausflüchte und Erklärungen: zu warm sei’s im Winter gewesen, zuwenig Schnee, vor dem sich das Ziel hätte abzeichnen können. Außerdem seien die Schweine – hol’s der Teufel! – verdammt intelligent in letzter Zeit! Tja, wie singen die vier Zecher im Faust: „Uns ist ganz kannibalisch wohl/ als wie fünfhundert Säuen!“. Vielleicht sollten wir angesichts unserer Geburtenrate den anämischen, stlisierten Bundesadler durch die beinah bestürzend vitale Wildsau ersetzen.

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