Ein gutes Tier ist das Klavier…

Der Musik wird gerne angedichtet, sie säe im Menschen die Saat der Humanität. Ja, sie wirke geradezu anästhetisch aufs Lymbische, jenen Winkel also, in dem Hirnforscher den letzten Zufluchtsort menschlicher Rohheit und Brutalität wähnen. Gern zitieren Musikfreunde Wilhelm Busch, der die Musik „Branntwein für die Seele“ nannte. Aber ebenso wie der janusköpfige Branntwein in der Lage ist, Menschen entweder unter Absingen zweifelhaften Liedgutes zu verbrüdern oder sie mit allen Anzeichen von Entmenschlichung aufeinander eindreschen zu lassen, wirkt offensichtlich auch die Musik. Das beweist ein Gerichtsverfahren, das kürzlich nach sechs Jahren Dauer in Spanien endete.  Laia Martín, ehrgeizige Pianoschülerin aus dem nordspanischen Puigcerdà, hatte zwischen 2003 und 2007 täglich stundenlang Klavier geübt. Pro Woche mindestens 40 Stunden, schätzte die frühere Nachbarin. Diese litt nach eigenen Angaben jahrelang unter Angstzuständen. Das ist – gelinde gesagt – nachvollziehbar. Alexander Mozkovski, dessen Bruder Pianist war, dichtete einst über eine Pianistin: „Wehe, wenn sie losgelassen/ Sich auf’s Donnernde verlegt/ Und mit wucht’ger Schläge Massen/ Ein Klavier zum Krüppel schlägt!“ Die Staatsanwaltschaft hatte ursprünglich zuletzt 20 Monate Haft und sechsmonatiges Berufsverbot für Laia Martín gefordert. Das Gericht sprach sie zwar frei. Aber wir halten dies trotzdem für die geeignete Stelle, speziell für den übenden Nachwuchs  Christian Friedrich Daniel Schubart zu zitieren: „Zwar sind die Finger brav,Nie fehlt’s in der Octav‘,Noch in der Quint‘ und Terz; Nur Eines fehlt – das Herz!

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