Weltmeister im Schwänzen

Einen Bohemian heißt man bekanntlich einen Menschen, dessen Lebensaufgabe darin besteht, keine zu haben. Leider gibt es für diese wunderbare Spezies nur noch vereinzelt Biotope, die von der allgegenwärtigen Religion der Arbeit immer mehr zusammengestrichen werden. Das einzig Schöne an jener kultischen Verehrung blinder Betriebsamkeit? Sie gebiert laufend Ketzer! Ein besonders rares Beispiel an Freigeist zeigt uns folgende Meldung, die schlicht zu schade wäre, sie einfach so unkommentiert im Plumpsklo des Nachrichtenalltags herunterzuspülen:  Einem leitenden Beamten im Ministerium für Stadtentwicklung in Neu Delhi ist es gelungen, ein Vierteljahrhundert krank zu feiern, meldet „Indian Express“. Nach dem Motto: „Nur tote Fische schwimmen mit dem Strom“ ignorierte er beharrlich jegliche Anweisung, wieder zum Dienst zu erscheinen. Ein Teufelskerl, fürwahr: Wer solange damit durchkommt, für den dürfte die Vokabel „unmöglich“ zeitlebens jede Bedeutung verloren haben. Leider, leider wurde ihm jetzt doch noch gekündigt, wodurch die ganze Sache überhaupt öffentlich wurde. Natürlich wird jetzt medial bottichweise Häme über der indischen Bürokratie und dem Vorzeige-Faulenzer ausgegossen. Aber auch Kritiker müssen zugeben – nie fügt man der Schöpfung, seinen Nächsten und sich selbst weniger Schaden zu, als wenn man einfach nur unätig herumliegt. Und wen das noch nicht überzeugt, der stelle sich einfach vor, wieviel Unheil so ein Beamter anrichten kann, wenn er in 24 Jahren täglich pünktlich zum Dienst erscheint.

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