Das Geheimnis der Pizza Napoli

Leichenbegängnisse umgibt von jeher eine morbide Stimmung: Die Normannen pflegten ihre Häuptlinge auf brennendem Drachenboot gen Sonnenuntergang segeln zu lassen, Pharaonen wurden samt Belegschaft vermauert, die Griechen in einen kunstreich behauenen Sarkophag (griech.: Fleischfresser) gelegt. Vielleicht ein bisschen viel Pathos um so wenig Staub. War es da nicht hohe Zeit, morsche Riten zu überdenken? Und heißt Tradition nicht, die Flamme weiter zu tragen statt die Asche aufzuheben? Nun – der sinnenfrohe Italiener unserer Tage, er ließ uns in dieser Frage nicht hängen und brachte endlich etwas Leben in den Totenkult. Genau genommen war’s der Neapolitaner. Seine Stadt kennt man vom Spruch: „Neapel seh’n und sterben!“, vor allem aber vom Namen der besonders knusprigen örtlichen Pizza-Abart. Deren unvergleichliches Knusper-Aroma verdankt sich womöglich einem nicht ganz so appetitlichen Geheimnis, was uns direkt zurück zu unserem Thema Totenkult führt: Im Pizzaofen braucht’s etwa 500 Grad, Brennholz ist teuer, Neapels Pizzabäcker wenig pietätvoll, dafür pragmatisch – und nichts brennt so lustig knisternd, heiß und billig wie ein mürber, alter Sarg! Tja – so wurden auf dem Friedhof des Vorortes Poggioreale reihenweise Särge ausgebuddelt, zerhackt und in Pizzaöfen verfeuert. Die knusprige Kruste interessiert nun die lokale Staatsanwaltschaft, laut der neapolitanischen Ausgabe von „Il Giornale“ ermittelt sie die kruden Wege, auf denen teure Tote billiges Brennholz spendeten. Aber mal ohne morsches Pathos: was ist so ein Sarg auch anderes als eine große Calzone!

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