Sommerliche Tipp-Gemeinschaft

Kaum steigt das Quecksilber, schon lärmt der Chor der Ratgeber

Was gutgläubigen Zeitgenossen wie uns zurzeit als naturwüchsiger Vorgang dünkt – zügellos-orgiastisch zu schwitzen nämlich – ist für manch Journalisten ein gefundenes Fressen! Statt gottergeben bei 40 Grad zu brüten, wirft mancher jetzt gönnerhaft dutzendweise Tipps unters Volk. Aus Fürsorge? Wir fürchten, aus Profitgier, so finster, dass es frösteln macht. Einige Tipps haben wir mit anfangs noch unverstelltem, später verdüstertem Blick gelesen, denn wir fanden zumeist auf viele Zeilen gedehnten Phantasiemangel: „Schon ein paar einfache Verhaltensregeln bringen Erleichterung bei der großen Hitze“, prahlte etwa der Kölner Stadtanzeiger am 30. Juni. „Es hört sich banal an, aber viele achten nicht auf genügend Flüssigkeit. Drei bis vier Liter sollten es an heißen Tagen schon sein, am besten Mineralwasser oder ungesüßter Früchte- oder Kräutertee.“ Nun, wer bei 40 Grad eine Thermoskanne kochenden Kräutertees trinkt, dem empfehlen wir noch ein brodelndes Chili dazu. Danach raten die Kölner, in typisch rheinischem Katholizismus: „In der Mittagspause einen Kurzbesuch in einer Kirche einschieben. Im Dom zum Beispiel ist es zehn Grad kühler als draußen.“ Zum Glück ist der Dom innen hohl, so passen mehr Leute rein. Aber eine reizvolle Alternative zeigt das Blatt auf: „Die Freibäder und Hallenbäder mit Außenbereich laden zum Abkühlen ein.“ Mal ehrlich – von selbst wäre da wohl keiner drauf gekommen! „Vor dem Schlafengehen das Schlafzeug einige Minuten in den Kühlschrank legen. Wenn man es dann überzieht, kühlt der Körper kurz ab.“ Hoffentlich hängt der Ärmel ins Tiramisu, dann hat man im Bett noch was zu naschen. Die Bild (in Stilfragen bundesweit letzte Instanz) dagegen ließ am 1. Juli durch Benimm-Expertin Nadine Meyden vermelden, was trotz Hitze nicht geht: „Kurze Hosen und Sandalen haben bei Männern, egal in welcher Branche, im Büro nichts verloren. Frauen sollten immer die Schultern bedeckt haben und bei offenen Schuhen darauf achten, dass die Zehen gepflegt sind.“ Wer da nicht respektvoll-schneidig die pedikürten Hacken zusammenschlägt vor soviel Stil! Wahrscheinlich war Frau Nadine Meyden, bevor sie Bild-Benimm-Kanone wurde, Büroleiterin bei Metternich. Den einzig originellen Hinweis, mit der Hitze umzugehen, lasen wir in der Süddeutschen (1. Juli). Das Einkoten der Beine verschaffe aufgrund Verdunstung einen angenehmen Kühlungseffekt. So mache es zumindest der Storch. Wir finden, in toleranten Bürogemeinschaften sollte das ab 40 Grad kein Tabu sein!

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