Sohlen, medium bitte!

Wie ein Motivationstraining für neun Italiener resch und gut durch endete

„Die Füße im Feuer“ heißt die berühmteste Ballade von Conrad Ferdinand Meyer (1825-1898), es geht um Hugenotten-Verfolgung, Rache, Schufte, Helden, schöne Frauen und – Folter, bei der Füße in der Glut rösten! Schaurig-schön also. Was das mit uns zu tun hat? Scharfer Schnitt: Anders als das Gewerbe der Balladenschreiber gewährt heute das der Motivationstrainer märchenhafte Zuwächse. Weswegen hier ein ganzer Industriezweig von Glücksrittern, Kleinganoven und sonst ungelernten Rübennasen fröhlich umtummelt wird. Die einen wirken auf Seminaren als emsige Plappermäulchen, sabbeln allerlei zauberische Motivationsformeln ins Umhänge-Mikro; andere können die Tinte nicht halten und werfen zwecks Heimstudium Traktätlein um Traktätlein auf den Markt, aus denen es – mal lindgrün, mal anselmgrün eingebunden – geheimnisvoll raunt. Den Schlimmsten aber gilt gemeinsames Sackhüpfen, möglichst in freier Natur, als Triumph des Willens über menschliches Phlegma; dabei wird solange infantil: „Chaka!“ gejauchzt, bis allseits der Rotz der Verstockung fließt und die Teilnehmer sich in den Armen liegend schier einnässen vor Übermotiviertheit. Viele solcher Umerziehungslager buchen Arbeitgeber fürs „Team“, denn Untergebene auszubeuten, bindet teures Aufsichtspersonal. Besser also, Untergebene lernen, sich selbst auszubeuten – und das bitte Lustschreie ausstoßend! Die unverzichtbarste Zutat für dieses Kunststück – das Feuerlaufen! Denn wer sich durch esoterisch-wirres Workshop-Brimborium das angeborene Gefahrbewusstsein derart betäuben lässt, dass er freiwillig über zehn Meter glühende Kohle rennt, scheut auch sonst vor keinem Abgrund. Heute also gelten Füße im Feuer, anders als noch bei C.F. Meyer, nicht als Folter, sondern sind als berufliche Fortbildung von der Steuer absetzbar. Elegant! Gleichwohl ahnten wir die Risiken und waren kaum überrascht, als jetzt die Süddeutsche knapp meldete, nach Feuerlauf mit Motivationstrainer Alessandro Di Priamo seien neun Mitarbeiter einer italienischen Immobilienfirma mit verbrannten Sohlen ins Spital gekommen. Nun droht ein Prozess, Di Priamo verteidigte sich bereits mit der verwegenen Einlassung, man habe „ungeeignetes Holz“ geliefert. Wir finden dagegen, Di Priamo hat sein Geld verdient, schließlich hat bei der Immobilienfirma die Spreu von Weizen getrennt. Denn wer acht Leute dazu kriegt, durch Rauch und Schreie des ersten Verbrennungsopfers hindurch weiterzulaufen, ist offenbar fähig, aus dieser Glut 1a-Untergebene zu schmieden!

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