Herbstliches Steckenpferd

Sie suchen eine Beschäftigung für den dräuenden Nachsommer? Wir bieten eine Lösung.

Warte nur, balde – naht er uns wieder, der nasskalte Herbst! Vorbei wird die Zeit sein, da wir schimpften über juckende Mückenstiche, über Kletten im Haar. Mitleidlos wird er statt dessen unser Aug’ mit Nebeln narren, mit kaltem Schmuddelregen unsre Glatzen peitschen; und wo eben noch milde Böen das Wiesenschaumkraut, den Rittersporn, die Malve und die Bartnelke sanftmütig nicken machten, da werden harte Schatten kahler Äste über den Schnee huschen, werden letzte Krähen unter frostschweren Wolken kreisend krakelnde Runen malen. Oder einfacher gesagt – jetzt wäre der beste Zeitpunkt, sich ein gutes Hobby für drinnen anzuschaffen; und die besten Steckenpferde, um angesichts des drohenden Nachsommers im gemütlichen Drinnen zu verharren, haben stets etwas mit Sammeln zu tun. Und was kann man nicht alles zum Gegenstand einer persönlichen Kollektion machen! Wikipedia etwa amüsiert uns mit folgender beispielhafter Aufzählung: Autogrammkarten, Bierdeckel, Grafiken, Handtaschen, Kronkorken, Fossilien, Sammelbilder, Schmetterlinge, Servietten, Überraschungsei-Figuren, Panini-Bildchen („Tausche drei Ballacks gegen einen Lahm!“) – all das und mehr ließe sich flink und frettchenhaft in Alben, Regalen und Dachböden konzentrieren. Was solche Anhäufungen gemeinsam haben? Ihre radikale, beinahe schon übermotivierte Zweckfreiheit. Sammeln als Hobby dient zu nichts, schon gar nicht, um in schäbiger Habsucht Vorräte zu erhamstern. Oder kennen Sie einen einzigen Briefmarkensammler, der je eine Marke der eigentlichen Bestimmung zugeführt hätte? Zumal die „Blaue Mauritius“ gar nicht als Postwertzeichen einsetzbar ist, nicht mal auf Mauritius? Die Frage nach dem „Warum“ hat schon manch vulgären Erklärungsansatz zutage gefördert: Von Entartung ursprünglichen Jagdinstinktes, dem Wunsch nach Übersichtlichkeit in einer unübersichtlichen Welt, dem Drang, eigene Unvollständigkeit durch Vervollständigung zu überspielen war die Rede. Und Freud hielt das Sammeln für eine (gähn!) Sublimierung nicht ausgelebter sexueller Wünsche. Was solche Anhäufungen nun wieder gemeinsam haben? Die Schlichtheit, mit der sie das Phänomen mittels des groben 16er-Schlüssels des Verstandes auseinandermontieren wollen! Dem aber hat sich die mysteriöse menschliche Sammelleidenschaft zum Glück noch stets zu entziehen gewusst. Oder einfacher gesagt – heute wäre ein wirklich idealer Zeitpunkt, mit dem Sammeln so genannter „Ephemera“ anzufangen. Was das nun wieder ist? Zum Beispiel Kolumnen. So wie die hier.

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