Eine Sache wie das Nachdenken

Was die Woche so passiert, verwirrt doch sehr

Wenn man so darüber sinniert – das Nachdenken, hol’s der Teufel, ist schon verzwickt! Ständig strauchelt der Verstand; seine kleinen, kurzen Dackelbeinchen verheddern sich andauernd beim brütenden Grübeln in allerlei Wurzelwerk und Gestrüpp. Und sinniert wer zu lange, findet er sich jäh umstellt von krautig verwachsenem Dickicht der Realität, aus der oft nicht mal die Motorsense der Logik eine Schneise mähen kann. So ist es leider auch mit den Dingen dieser Woche. Wer etwa an Stuttgart denkt, muss zugeben, dass Logik nicht nur keine Rätsel löst, sondern sie erst wirklich zwiespältig macht: Wäre der Bahnhof schon fertig gebaut – könnten seine bundesweiten Gegner dann nicht wesentlich schneller und direkter anreisen, um sich zwecks Protest an Stuttgarter Bäumen fest zu ketten? Ähnlich wirr liegen die Dinge bei den Taliban, die dieser Tage drohen, irgendetwas Deutsches zu bombardieren (was ihnen niemand verübeln darf: Terroristen laufen nämlich stets Gefahr, ihr Renommee einzubüßen, wenn sie nicht dann und wann mit irgendetwas drohen). Bedenkt man ihr Anliegen und das der Bahnhofs-Demonstranten, wäre dann nicht allen gedient, sie warteten mit dem Bombardieren, bis besagter Bahnhof fertig ist, um ihn am Vorabend der Eröffnung zu allgemeiner Belustigung…? Aber auch die Entscheidungen des Nobel-Komitees lassen unsere Gedanken auf dem glatten Parkett der Tatsachen der Länge nach hinschlagen: Freut sich nicht jede Nation der Welt darüber, wenn einer der ihren den Friedensnobelpreis bekommt? Tja – die Chinesen sind da komisch – statt ihn frenetisch zu feiern, stecken sie ihren Preisträger, den Bürgerrechtler Liu Xiaobo, ins Gefängnis und geben gegenüber dem Nobel-Komitee die beleidigte Leberwurst. Doch wozu ins Land der Mitte schweifen, wo doch blühender Unsinn direkt um die Ecke ins Kraut schießt: Vom Vatikan aus hat Monsignore Ignacio Carrasco de Paula die Verleihung des Medizinnobelpreises an Robert Edwards, den Vater der künstlichen Befruchtung, scharf kritisiert: „Edwards hat das Problem der Unfruchtbarkeit nicht gelöst, sondern übergangen.“ Außerdem sei die Methode unmoralisch, weil sie die natürliche sexuelle Vereinigung von Mann und Frau ersetze. Das verwirrt nun komplett – sind die Kritiker etwa dieselben Herren im Vatikan, die für sich selbst jede geschlechtliche Vereinigung, geschweige Fortpflanzung, gänzlich ablehnen? Ein Trost bleibt: Nachdenken ist eben allemal ein schlüpfrig Geschäft. Selbst im Vatikan.

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