Frühling allerorten, es riecht auf den Aborten!

Ab sofort wird wieder gelebt und nicht nur existiert

Aus gegebenem Anlass erinnern wir heute an die Ritter des Mittelalters, die dieser Tage bestimmt ein klein wenig aufgeatmet haben würden, sofern heute noch Mittelalter wäre und sie noch atmeten: Denn um Martini herum (also im November) war es in niederadeligen Schichten durchaus üblich, sich ins Hemd einnähen zu lassen, damit es im Winter nicht so friert rings um die Lenden. Auf der Burg war’s schließlich zugig. Für die nötigsten Verrichtungen gab es immerhin Öffnungen. Aber seien wir ehrlich – solch ein Hemd käme wohl nur aus einem einzigen Grund ins Deutsche Hygiene-Museum: Damit es als warnendes Beispiel dient. Erst zu Frühlingsanfang wurden die Nähte rings um den wackeren Rittersmann, den Knappen, von umsichtigen Händen wieder gelöst. Und zumindest die Herren selbst atmeten auf . Das ringsum stehende Gesinde wahrscheinlich weniger. Seitdem haben sich die Dinge im Zusammenspiel Mensch und Frühling durchaus zum Vorteil entwickelt. Die Gerüche um uns sind heutzutage zu Frühlingsanfang weder besser noch schlechter als zu anderen Jahreszeiten, das Lyrische jedoch, das Musische um diese Periode ist geblieben, so dass wir feierlich zu Protokoll geben: Damals wie heute klingen selbst die Winde, die einem nach dem Verzehr roher Frühlingszwiebeln entfahren – wenn man ihnen ahnungsvoll hinterher lauscht – als imitierten sie den Klang der Hirtenflöte. Kein Zweifel – der Frühling bricht aus! Es riecht nach Kuh-Dung auf den Äckern, kübelweise sind Radler auf den Fahrradwegen ausgegossen, Mädchen legen in die Auslage, was immer sie hineinlegen können. Das im Winter angesammelte Geröll im Kopf macht sich endlich auf die Krötenwanderung, Bienen necken Blüten, die Natur ist ganz mit Ablaichen beschäftigt. Und überall sind lüstern schwellend Knospen über Nacht aufgeragt. Kurz – Frühling ist arschknackegeil, elefantös, epochal! Das bedeutet in der psychologischen Fachsprache, er ist begrifflich libidinös besetzt, es herrscht eine allgemein spürbare Tendenz hin zur Zügellosigkeit, und noch der nüchter-objektivste Psychoanalytiker spürt: In den Adern rollt’s wie brodelnder Schampus!

Nachdem es zum Glück nicht die schlechtesten Dichter sind, denen wir die schönsten Frühlingsgedichte verdanken, schließen wir heute mit Erich Kästner: „Es ist schon so, der Frühling kommt in Gang/ Die Bäume räkeln sich, die Fenster staunen/ die Luft ist weich, als wäre sie aus Daunen/ und alles andre ist nicht von Belang.“

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