Pikante Werbefläche

Auch der Penis ist kommerzialisierbar – allerdings nur begrenzt

Wir widmen uns heute ungern dem zartesten Organ des männlichen Körpers, dem – sozusagen – Ofenrohr seines Untergeschosses: Gefangen in drangvoller Enge, fahl von Hosenluft, entblößt mann es üblicherweise nur in zwei bis maximal acht Personen umfassenden, klandestinen Zirkeln. Die Hochliteratur – woanders nicht ganz so etepetete – nennt seinen Namen kaum je unchiffriert. Stattdessen überbieten Erzähler und Romanciers sich in vernebelnden Gleichnissen: Bei Thomas Mann „heulen wieder die Hunde im Souterrain“ (Tagebücher), andernorts munkelt es vom beinahe spukhaften „purpurbehelmten Liebeskrieger“ (John Cleland 1749 in „Fanny Hill“). Selbst Volksmunds rauer Ton, sonst kaum genierlich, raunt geheimnisvoll von einer „Donnerlunte“ (selbst gehört). Derart umtarnt, ist dies Hohl-Organ bislang vorm allzeit geschäftstüchtig-erregten Blinzeln kapitalistischen Wirtschaftens verborgen geblieben. Bislang. Dieser Tage tat sich vor uns der jüngste Rülpser postmoderner Unkultur via Radio dicke! In einer Morgenshow-Aktion des Senders 89.0 RTL – eins jener Programme, die die schwitzend-klebrige Mühsal hinter angeblicher Ungezwungenheit auch ungeübtem Ohr nie lange verbergen können – hatte sich ein Hörer live den Penis (nun ist’s heraus!) tätowieren lassen. Dafür, dass er sich die Automarke aufs Gemächt hat stechen lassen, darf der 39-jährige nämliches Auto eine Zeit (!) kostenlos nutzen. Da solch entmenschte Tortur auch das Internet ausführlich zu dokumentieren pflegt, gingen Beschwerden bei zuständiger Landesmedienanstalt Sachsen-Anhalt ein. Während deren Direktor jetzt (zu kleinbürgerlich) andeutete, er nehme Anstoß, wenn Solches morgens um 7 beim Familienfrühstück über den Äther gehe (welches Kind soll heute Käuflichkeit überraschen?) finden wir die Sache schlicht zu banal, uns zu erregen; zugleich zu unbedeutend, sie durch Ignorieren zu adeln: Erstens gelten Autos mancherlei Marke ohnehin als legitime Erweiterung des männlichen Geläuts. Zweitens hätte kaum ein anderer Vorgang das zeitlose Kapitalistenmotto: „Egal, was es ist – wir machen es zu Geld!“ derart augenfällig zu illustrieren vermocht. Es mag dies manchem zwar als Flammenzeichen gesellschaftlichen Niedergangs anmuten. Uns selbst erscheint es gewiss als zu kleinbürgerlich für authentische, lustvolle Zerrüttung! Aber beides einend zeigt der Fall, dass der Vermarktung des Penis via Tatoo entweder individuelle Grenzen gesetzt sind. Oder manchem Tätowierten der „Mini“ wirklich lieber als ein „Mercedes Benz“ ist.

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