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Die kleine Schweiz und der große Diktator
Das Land der Fonduegäbelchen wird gerade ernsthaft bedroht
Heute schreiben wir mal über – was heißt hier Land? – heute schreiben wir über einen Leckerbissen! Ein Schmankerl für jene letzten verwegenen Schreiberlinge, die noch eine verstaubte Metaphernmaschine im Keller haben: heute, lieber Leser, schreiben wir mal etwas über die Schweiz! Eine so drollige kleine Nation, dass man sie gern in die Hand nehmen und ihr das wuschelige Fell streicheln will. Wie weiland Fortuna, so hat die Schweiz das Füllhorn kultureller Errungenschaften geradezu verschwenderisch über die Welt ausgegossen, und damit meinen wir nicht etwa nur Bankgeheimnis, Käse, Uhren oder Schokolade, sondern vor allem das Raclette-Schäufelchen und die Fonduegabel, ohne die die Welt schon längst in dunkler Barbarei versunken wäre. Bewohnt wird dieses possierliche Land ausschließlich von Kühen, Bankern, Hoteliers und deutschen Zahnärzten; und von jeher ist die Schweiz das Land, das nicht nur Steuerflüchtlinge, sondern auch Dichter („Guten Abend allerseits/ ich fahr’ morgen in die Schweiz“) und Schlagersänger („Im Sommer scheint die Sonne, im Winter, da schneit’s/ in der Schweiz, in der Schweiz, in der …“) mit der Seele suchen. Schnitt. Muammar al-Gaddafi, Führer der libyschen Revolution, ist – wie die meisten Diktatoren – eine Mischung aus tobsüchtigem Irren und Zirkusdirektor; und ganz sicher will er die putzige kleine Schweiz nicht in die Hand nehmen und ihr das wuschelige Fell streicheln, wie er kürzlich unmissverständlich klar machte. Denn die Schweiz hat kürzlich per Volksentscheid ihrer muslimischen Minderheit den Bau von Minaretten verboten, was Diktatoren mit einem Herz für Minderheitenrechte (wie Gaddafi) natürlich nicht gefallen kann. Deswegen hat der Libyer jetzt ganz Afrika zum Boykott Schweizer Waren aufgerufen. Afrika, wir erinnern uns, ist als Kontinent so groß, dass es gar nicht genug Zahlen gibt, um auszudrücken, wie oft die Schweiz hinein passt. Jedenfalls kann man Afrika nicht in die Hand nehmen, und vom Streicheln würde jeder abraten, der mal Joseph Conrads „Heart of Darkness“ gelesen hat, weil die Hand ganz schnell ab sein kann, mitsamt Arm. Eine echte Bedrohung also für die drollige, schneebegipfelte Schweiz; möglich, dass sie bald in die Knie gezwungen und vor lauter Minaretten gar nicht mehr weis, wohin. Möglich aber auch, dass die Schweiz am Ende den längeren Atem hat: Denn wie Afrika über längere Zeiträume ohne Raclette-Schäufelchen und Fonduegäbelchen zurecht kommen will, dass muss uns dieser Gaddafi erst noch erklären.