Täglich eine Darmspiegelung

Der Gesundheitswahn ist hierzulande mittlerweile so fest etabliert wie der Röhrende Hirsch, die Nussbaumschrankwand und der Zimmerspringbrunnen. Unterstützt von allerlei geschwätzig herumflatternden Gesundheitsratgebern wird das Bild in den Köpfen verankert, jeder, der sich ab dem 15. Lebensjahr nicht täglich einer Darmspiegelung (Eingeweihte nennen sie übrigens „Große Hafenrundfahrt“) unterziehe, sei offenbar nicht ernsthaft daran interessiert, gesund 100 Jahre alt zu werden. Die Menschen benutzen mundgeblasene, voll biologisch abbaubare  Zahnbürsten aus fairem Handel, essen fünf mal pro Stunde Obst und Gemüse wie eine Fruchtfliege, lassen sich wöchentlich die Prostata feucht auswischen und haben ein Endoskop als Schlüsselanhänger. Dazwischen bieten Sport, Weizenkleie und linksdrehende Joghurt-Kulturen die einzige Abwechslung. So was kann meiner Ansicht nach nur jemandem einfallen, der täglich eine Überdosis Globuli schluckt. Kehret um! Auch Speck, Pizza, Büchsenbier und Fernsehsessel sind Schöpfungen Gottes, auf dass wir ein Wohlgefallen haben. Nichts gegen ein bisschen Rohkost, dass sieht farblich nett aus, wenn es neben einem goldbraunen Schnitzel liegt. Unser Apell: Der Mensch soll nicht gesünder Leben, als ihm gut tut.

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