Die hölle – das sind die Automaten

Der erste Fehler der Konstrukteure – so ein Fahrkartenautomat ist ein seiner Verwendbarkeit recht beschränkt: Er apportiert keine Stöckchen, heilt keinen Fußpilz. Er kann wirklich nichts außer Fahrkarten ausspucken. Aber – und hier liegt der zweite Fehler – auch das nur unter grimmigen Geburtswehen. Es scheint dem Menschen nämlich unmöglich, mit dem ersten Versuch einem Fahrkartenautomaten das ersehnte Ticket zu entschmeicheln. Eher bekommt Griechenland auf dem Kapitalmarkt ein zinsloses Darlehen! Denn der Bahnautomat ist in seinem Innenleben labyrinthisch wie die Handlung von Twin Peaks. Und mindestens so rätselhaft wie die Seele einer Frau oder der Inhalt einer Leberwurst. Ein regelloser Schwall von Tasten scheint von den diabolischen Konstrukteuren übers Metall gespült worden zu sein. Und deshalb kann, wer will, täglich Menschen dabei beobachten, wie sie bei der Suche nach dem tieferen Sinn oder wenigstens dem Geldeinwurfschlitz mit halbgeöffnetem Mund minutenlang davor verharren, die Stirn kraus gezogen, unter leichtem, aber stetigem Speichelfluss. So lobenswert der Versuch der Bahn auch ist, in Nürnberg gelehrige Senioren auf den Automaten zu dressieren – er ist ein Kulturphänomen: Griechische Mythologie wird an ihm erlebbar. Denn gleich einem Sysiphos wälzen wir Knopfdruck um Knopfdruck uns dem Gipfel unseres Wunschtickets entgegen, um im letzten Moment wieder zurück zu purzeln wegen der Frage nach der Bahncard. Und gleich Tantalos recken wir hungrig die Arme aus nach dem so greifbar erscheinenden Ticket, das sofort wieder mit der Frage zurückweicht, ob man Hin- und Rückfahrt buchen möchte.  Aber zum Glück hat die Bahn auch menschliche Seiten – wahrscheinlich verspäten sich die meisten Züge nur aus dem einen Grund: Uns an diesem sphynxhaften Metallkasten mehr Zeit zu lassen.

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