Die Wurstsprung-Olympiade

Es gibt eine Welt jenseits von Gut und Börse, ist sie allerdings kaum weniger absurd: Wir meinen die Welt des Wintersports. Wir sind jedes Jahr verunsichert, warum die Beteiligten nicht laut lachen. Nicht etwa, weil manche Journalisten während des Wettbewerbs alle Schleusen der Superlative öffnen und dabei regelmäßig schmerzhaft an der Stacheldraht-Grenze des guten Geschmacks vorbei schrammen. Sondern wegen der Wettbewerbe an sich, dem Skisprung etwa. Man sieht dort kleinwüchsige Herren mit kleinen, abgezehrten Kindergesichtchen wie aus einem Käthe-Kollwitz-Plakat („Hunger!“). Zugegeben: Die Todesverachtung, mit der sie von den Schanzen stürzen, hätte etwas Heroisches. Aber warum um alles in der Welt werden sie vorm Wettbewerb stets in extra bonbonfarben-schimmernden Kunstdarm abgefüllt? Ähnlich beim Eisschnelllauf – man freut sich auf einen Kampf der elegante Bewegungen in halsbrecherischem Tempo; aber dann wechselt die Perspektive, und wir denken unwillkürlich an zwei zusammengebundene Parmaschinken, die in rhythmischer Scherbewegung einem Buffet hinter der Ziellinie entgegen gleiten. Alles wieder in bonbonfarbigen Kunstdarm. Warum nicht, wenn schon von Kunstdarm die Rede ist, einen neuen absurden Wintersport erfinden? Das Wurstspringen! Schlanke Debreziner, dicke Thüringer, unförmige Knäuderle, kurz: das ganze Sortiment an beliebten Koch-, Brüh-, und Rohwürsten könnten wettkampfmäßig von der Schanze geschossen und im Ziel sogleich verzehrt werden. Seien wir Realisten: Im Moment scheint unser Plan undurchführbar. Aber das galt für alpinen Skiwettbewerbe anfangs auch.

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