Warum wir noch hier sind

Immer zur Ferienzeit packen die Tourismuswerber Hufeisen in die Boxhandschuhe und dreschen einem damit auf den Schwölles: „Machen Sie den Urlaub Ihres Lebens!“ oder „Fliegen Sie ins Urlaubsglück!“ Der Mensch aber ist weich wie Pizzateig und lässt sich durch solche Schläge mühelos die jede gewünschte Form bringen. Daher fühlt er sich nach dieser Behandlung in seiner gewohnten Umgebung plötzlich wie lebendig begraben. Und auf einem glibberigen Gefühlsmix aus Neugier und Angst, was zu verpassen, rutscht er tief in den gierigen Schlund der Tourismus-Industrie. Aber unterm bonbonfarbenen Tarnnetz der Alles-ist-super-Prosepekte, nach stolpernd überwundenem Wurzelgeflecht leerer Versprechungen gähnt der Abgrund bitterer Realität: Bettenbastionen aus Brutal-Beton; Strände, an denen man sich wie ein Huhn in Bodenhaltung fühlt; und nie – ich wiederhole – nie! reisst im Urlaub das Klopapier an der richtigen Stelle. Nur: Man ist jetzt drin im Urlaub. Wie in einer halbvollen Regentonne mit glattem Rand, in die man geschubst wurde und aus der man nicht mehr rauskommt, bevor die 14 Tage um sind. Die Zeit kann da sich da sehr dehnen! Die Zeit hier zu Hause dagegen? Sie bummelt wie ein gut gelaunter, unrasierter  Flaneur durch die Straßen, der aus verschiedenen Gründen letzte Nacht in seinen Sachen geschlafen hat. Weder Lehrer noch Schüler verstopfen kurz vor acht oder kurz nach eins den Kreisverkehr. Und man kommt überall zuerst dran, die anderen sind ja im Urlaub! Aber wem erzählen wir das: Nachdem Sie das hier lesen können, waren sie ja auch schlau genug, hier zu bleiben.

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