Jenseits von Litschi-Melone

Unterm Camouflage unzähliger Nichtigkeiten wie etwa Betreuungsgeld oder Mohammed-Verunglimpfungen, unterhalb angeblicher „Ereignisse“ wie der Weltfinanzkrise spielen sich die wirklich wichtigen Dinge unserer Epoche ab: Die Rede ist vom allmählichen Sterben des Waldmeister-Geschmacks! Wir erinnern uns: In den glücklicheren 70ern, 80ern und 90er Jahren des eben zu Ende gegangenen Jahrhunderts prägten Eiskugeln und Bowlen in lässigem Grün unser Stadtbild. Wer daran leckte, davon schmeckte – Wogen des Glücks rollten schäumend über dessen Zunge, um Gischt sprühend am Gaumen zu zerschellen! Heute dagegen? Die Eis- und Getränkeindustrie scheint vom nervösen Tic befallen, auf unseren Geschmackspapillen eine Art babylonischer Verwirrung zu stiften, indem sie den Markt mit immer absurderen neuen Geschmacksrichtungen überspült. Wir sehen es direkt vor uns – das Heer buckliger, hinkender Lebensmittelchemiker, das in unterirdischen Labors wild Dinge ineinander kippt, dabei grimassierend sinnlose Silben vor sich her brabbelnd („Cranburry…Litschi-Melone…Grapefruit-Afrikanischer Krallenfrosch…“). Alles Geschmacksrichtungen, die in einem noch zu schreibenden „Lexikon der Eissorten, die es verdient hätten, zu sterben“ aufgelistet werden müssten. Und all das nur wegen einer unseligen Gier nach Neuem, einem abstrusen Größenwahn, Aromen herzustellen, die objektiv gesehen nach zu süßem Hundeshampoo schmecken! Daher schließen wir heute finster drohend: Die Hand, die es jemals wagt, Waldmeister endgültig von einer Eiskarte zu streichen – sie möge dereinst aus dem Grabe wachsen!

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