Fluch der Akribik

Vieles Gewaltige lebt, nichts jedoch ist gewaltiger als der Mensch, wusste schon Sophokles. In der Tat: Der Mensch kann als einziges unter allen Wesen gerade machen, was er krümmte. Speziell denken wir da ans Bügeln. Eine Tätigkeit, derart verantwortungsvoll, dass Männer sie lieber den Frauen überlassen. Böse Zungen behaupten, dass Bügelbrett und Bügeleisen nur erfunden wurden, um Frauen von Höherem fernzuhalten. Aber die Wahrheit ist: Männern fehlt schlicht die Fähigkeit, knittrigen Krägen die gesellschaftlich erwünschte Glattheit abzutrotzen! Wir verurteilen hier zwar niemanden, aber die Beobachtung lehrt, dass Männer lieber zehn Steuererklärungen am Stück machen oder wahlweise eine Abhandlung über den Unterschied zwischen Newtons und Leibniz‘ Methode der Infinitesimalrechnung vom Usbekischen ins Deutsche übertragen, als selbst am Hemde Hand anzulegen. Die Hürden sind ja auch beträchtlich: Wann wird mit Wasser besprengt? Womit beginnen – Ärmel, Brust, Rücken, Kragen? Fragen, die das Etikett klären helfen könnte, aber um dessen Hieroglyphen zu entziffern, bräuchte eine Hundertschaft männlicher Kryptoanalytiker wahrscheinlich Wochen. Sicher – es gäbe Grund, den Wert geglätteteten Textils an sich zu hinterfragen: Wirkt aufgrund der Kontrastwirkung ein altersbedingt faltiger Hals nicht umso knittriger, je glatter das Gewebe ringsum? Aber solange die Gesellschaft vorsieht, dass nur Clochards ungebügelt hinter ihrem Hut sitzen dürfen, sind solche Argumente müßig. Wie man Männern das Bügeln statt dessen elegant schmackhaft macht? Ganz einfach – man muss es ihnen nur verbieten.

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