Telefon-Terror

An jenem Tag, an dem Erfinder Philipp Rais 1861 Mitgliedern des Frankfurter Physikalischen Vereins seinen revolutionären Telefonapparat vorführte, zeigte bereits der erste Satz, wohin sich inhaltlich die Telekommunikaton künftig vergaloppieren würde: „Das Pferd frisst keinen Gurkensalat“, war Rais‘ Premiere-Durchsage. Milliarden ähnlich sinnlastiger Satzfetzen schwirren seitdem hin und her wie Frisbee-Scheiben. Typisch Mensch: Ein derart feinmechanisches Gerät wird mühsam erfunden, durchlebt eine über einhundertjährige komplizierte Evolution, und was tun die Leute damit? Quatschen! Seit es im Durchschnitts-Haushalt mehr Handys als Jute-Taschen gibt, ist das Schönste am Telefonieren das Auflegen. Jedenfalls für Männer. Die nämlich sind fürs Telefonieren ungeeignet, denn Männergespräche ähneln Bouillon-Würfeln: komprimiert, unverdünnt und so hochkonzentriert, dass man was dazu trinken muss, weil einem sonst übel werden könnte. Die Geschichte lehrt, dass Männer schon immer lieber schreiben oder sich einen Dackel halten. Beides ist eine Art Dialog. Nur kann das Gegenüber nicht widersprechen. Ein Telefonanruf dagegen ereilt Männer unvermittelt wie ein Kugelblitz. Man wird mit Sätzen konfrontiert, auf die man sich nicht vorbereiten kann („Wie geht’s?“), weswegen Männer bei Klingeltönen zusammenzucken und sich im Schrank verstecken. Zum Glück halten Natur, Kirche und Bürgerliches Recht eine Institution bereit, dem Kommunikationsterror zu begegnen: Wir vermuten, dass manche Männer nur deswegen eine Frau heiraten, damit daheim wer ans Telefon geht.

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