Das Drehbuch und das wahre Leben

Sagen wir mal, lieber Leser, jemand erzählt Ihnen Folgendes: Neulich abends schleicht die Filmcrew, die eben im abgelegenen Hertfordshire (England) den letzten Harry-Potter dreht, zu einer zwielichtigen Kaschemme; sagen wir, um sich nach langem, staubigem Drehtag hübsch einen auf die Lampe zu gießen; fangen dort an zu saufen wie die Tempelritter; und einer mit besonders starken Gefälle, der an diesem Abend zufällig das streng geheime Drehbuch dabei hat, säuft sogar wie der Domprobst persönlich! Nach – sagen wir – 80 Eimern Guinness ziehen sie wieder ab, voll wie die Eulen, und lassen natürlich das Drehbuch liegen. Auf dem Einband steht: „Privat und vertraulich!“. Wer also würde es nicht sofort in die nächste Redaktion eines englischen Revolverblattes, sagen wir, der „Sun“ tragen? Die bläst am nächsten Tag mit Posaunengedröhne in die Welt hinaus, das Drehbuch weiche voll vom (bereits gut verkauften) Buch ab. Sagen Sie mal: Würden Sie da nicht denken, die Sache wäre getürkt, nur um schon jetzt den Medienrummel für den Filmstart im November anzuheizen? Tja, vielleicht sind Sie und ich einfach zu – sagen wir – misstrauisch. Aber sollte die Geschichte stimmen, ist übers wahre Leben Folgendes zu sagen: Es schreibt längst nicht mehr die – sagen wir – besten Geschichten.

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