Ende der Trockenzeit

Kürzer werden die Tage, länger die Unterhosen. Andere mögen zu dieser Jahreszeit sich geschwätzig übers Oktoberfest verbreiten, jenes Spektakel von glanzloser Größe, wo in dumpfer Hektik allerhand vulgäre Getränke in knallrote Köpfe gestellt werden. Wir dagegen besingen etwas qualitativ Anderes: Der Mensch, der ohnehin seit Urzeiten aus angstvoller Sehnsucht nach Berauschung in krokodilhafter Gier nach allerlei Vergorenem schnappt, kennt nämlich für den Frühherbst von je nur ein Getränk der Wahl: Most, Bremser, Federweißer, kurz: gärender Obst- oder Traubensaft. Nun mögen zarte, samtweiche Lippen sich noch so sacht um den Glasrand eines solchen Getränkes schmiegen – wer es einen Abend lang konsequent und nimmermüde durch die Öse saugt (eventuell sogar begleitet von einem deftigen Zwiebelkuchen), dem schlottert, zuckt, dehnt und wirbelt es bald im Gekröse. Prosaisch verweist die Internet-Enzyklopädie wikipedia daher auf den Umstand, das Getränk entwickle mitunter einen starken Effekt auf die Darmtätigkeit. Poetischer: das Getränk bäumt sich wie Mustang! Hasardeurhafter Genuss verbietet sich folglich, sollen sich laue Winde nicht zu tosenden Stürmen verabreden. In therapeutischen Dosen allerdings steht der Nutzen eindeutig im Vordergrund: Zwei, drei Gläschen, schon wollen sich Leute versöhnen, die vorher nie zerstritten waren. Falls überhaupt noch jemand Zweifel hat – der olle Goethe selbst gab dem Getränk die höheren Weihen, indem er es zur Chiffre für den Menschen selbst machte: „Wenn sich der Most auch ganz absurd gebärdet, Es gibt zuletzt doch noch e’ Wein.“

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