Last des Urlaubs

Wenn man vor 150 Jahren prophezeit hätte, dass Arbeitnehmer eines Tages gesetzlich verpflichtet sein würden, sich einmal jährlich zu erholen – man wäre weg gesperrt worden, für lange und zu recht. Aber Zeiten ändern sich – seit Wilhelm Zwo ist „Erholungsurlaub“ ein feststehender Rechtsbegriff. Die unscheinbare Zeitspanne von zwei, drei Wochen dient aber mitnichten dazu (wie schlichte Gemüter wähnen), opulente Dosen Alkohols zu vernichten, Pizzen von der Größe eines hanseatischen Stadtstaates zu verzehren oder in schummrigen Kneipen an sich und anderen herum zu spielen! Der Urlaub dient dem Gegenteil, „der Erhaltung und Wiederherstellung der Arbeitskraft“. Die Formulierung entfaltet zwar, was Erotik und Faszination angeht, ähnliche Wirksamkeit wie ein Nacktfoto von Whoopi Goldberg. Aber so steht’s im Bundesurlaubsgesetz. Zuwiderhandeln, etwa eigenhändiger Aufbau eines Vierfamilienhauses während dessen, gelten als Wehrkraftzersetzung. Vielleicht umgibt Urlaub deswegen etwas Konservatives – viele würden eher die Konfession wechseln als statt immer nach Rimini auch nur einmal nach Jesolo zu fahren; zugleich umgibt Urlaub etwas Spaltendes – die Entzweiung von Menschen in Strand- und Gebirgsurlauber (was der Vatikan als absolutes Ehehindernis längst anerkannt hat). Wenn das also „Urlaub“ heißt – was ist dann bitte „Reisen“? Wir finden – zumal gegen Ende der Haupturlaubszeit – die Frage so gut, dass wir sie hier nicht mit einer Antwort verderben wollen.

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