Mehr Licht!

Särge sind innen so schmucklos – sollte man da nicht wenigstens ein paar fesche letzte Worte auf Lager haben?

Es gibt Worte, die in jedem nur denkbaren Zusammenhang etwas wenig Raffiniertes an sich haben, und es gibt Momente, wo sie ganz besonders deplaziert erscheinen. „Scheiße!“, konnte der amerikanische Dichter Walt Whitman (1819-1892) gerade noch murmeln, bevor er den Löffel abgab. Das ist jedenfalls als sein letztes Wort überliefert. Wenn ein Poet, der aufgrund seiner Naturlyrik zu den Ikonen der US-Literatur gehört, mit einem solch brachialen Donnergruß auf den Lippen die irdische Wallstatt mit der himmlischen tauscht, hat das gute Gründe – Whitman hatte sich nämlich beizeiten einen veritablen Vorrat an etwas weniger erdenschweren letzten Worten zurecht gelegt, leider waren die dazugehörigen Notizen im hierfür vorgesehenen Moment aber nicht auffindbar und Whitmans Gedächtnis zu unzuverlässig. Und so blieb dem großen Dichter eben nur noch Zeit für einen letzten drastischen Gruß an die Welt. Sie nimmt es ihm nicht krumm, zumal der Vorgang ja nicht einer gewissen Komik entbehrt. Aber der Umstand unterstreicht, wie wichtig es ist, sich rechtzeitig ein paar passende Worte zusammen zu arrangieren, um die eigenen letzten, rasselnden Schnaufer damit zu veredeln. Den lieben Gott anzurufen, ist an sich immer eine gute Idee, aber als Konzept ein wenig abgenutzt. Und „mehr Licht“ sollten sich nicht ausgerechnet jene Leute im letzten Moment wünschen, die während ihrer gesamten Lebenszeit nicht unbedingt den Ruf hatten, des Leuchters hellste Kerze zu sein (bei einem Goethe mochte das vielleicht noch angehen). Am besten wäre wohl, man orientiert sich an ein paar guten Vorbildern, denn es waren die unbegabtesten Toten nicht, die uns die lustigsten letzten Worte hinterließen. So sagte etwa der irische Dramatiker Brendan Behan (1923-1964) als letztes Wort zu der Nonne, die ihn pflegte: „Gott segne sie, Schwester, mögen alle ihre Söhne Bischöfe werden!“ Die britische Politikerin Lady Nancy Astor (1879-1964) sagte angesichts der Familie, die sich um ihr Sterbebett versammelte: „Sterbe ich – oder hab’ ich heute Geburtstag!“ Und letzte Neugierde offenbarte der französische Schriftsteller und Diplomat Paul Claudel (1868-1955), der seinen Arzt noch vorwitzig fragen konnte: „Doktor, denken Sie, es war die Wurst?“ Unübertroffen – aus unserer Sicht jedenfalls – sind die letzten Worte vom Kneißl Mathias (1875-1902), der wegen Mord, Raub und Wilderei vom Schwurgericht Augsburg an einem Montag zum Tode verurteilt wurde und ausrief: „Na, die Woch’ fangt ja guat o’!“

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