Beischlaf macht alt und schrumplig

Wer ewig jung bleiben will, sollte sich nicht paaren, deutet die Wissenschaft an.

Es ist ein schrecklicher Vorgang, den man mit den Jahren an sich selbst entdeckt: Einstmals jugendliche Schönheit wird welk und allmählich von des Fleisches verhängnisvoller Fülle überwallt; die Zeit windet Girlanden des Verfalls um unsere Leiber; die Schwerkraft trägt von Jahr zu Jahr grandiosere Siege über uns davon; unsere Arme und Beine werden von des Lebens eisigen Nordwinden allmählich verdreht und ausgedörrt, es zeigen sich allerlei Haarrisse, Dehnungsfugen tun sich klaffend auf; unsere Gesichtshaut sieht – morgens zumal – aus, als habe sie der Alte Fritz während sämtlicher Schlesischer Kriege unter seinem Sattel zerritten. Man beginnt, leicht säuerlich zu riechen, was nicht verwundert, denn des Lebens Fluss dickt allmählich ein: Längst kann man mit dem Hintern keine Nüsse mehr knacken, und mit gewissen anderen Körperteilen kann man auch keinen gefrorenen Acker mehr umgraben. Der Philosoph Arthur Schopenhauer (1788-1860) fasste diese Unzulänglichkeit in folgendem Aphorismus zusammen: „Bis 38 lebt man von den Zinsen, ab dann vom Kapital.“ Welch Donnerwort – und dabei war er nur Realist! Wem dies nicht bildhaft genug ist, der überzeuge sich durch einen Blick auf die Metamorphosen, denen die Hauptdarstellerinnen von „Sex & the City“ unterworfen sind. Die Ursachen jener frustrierenden Bobachtung allerdings waren bislang in lichtloses Dunkel gehüllt, und so war es nur eine Frage der Zeit, bis die Frage nach dem „Wieso?“ des Menschen Neugier entzündete: Bei den meisten Organismen könne man beobachten, dass Reproduktion die Alterung beschleunigt, fand kürzlich der Evolutionsbiologe und Genetiker Thomas Flatt heraus. Will sagen: Wer sich nicht paart, lebt länger, so der 38-jährige Schweizer, der sich auf die Biologie des Alterns spezialisiert hat. Nun ist Flatts Studienobjekt zwar vorwiegend die Fruchtfliege, die umso früher verstirbt, je mehr sie kopuliert. Selbiges gelte aber auch für Lachse – die kastrierten Männchen leben deutlich länger. Nun mag der Mensch – von der Fliege und vom Lachs aus gesehen – leicht erhöht stehen. Aber auch hier habe sich gezeigt, dass völlige sexuelle Askese die Haltbarkeit verlängert. Nun gut; uns macht derlei wissenschaftliches Geschmetter unsicher, ob wir da was falsch verstehen oder ob das Kerngeschäft aller Wissenschaft etwa die Verwirrung ist? Denn wozu sollte man 90 Jahre und älter werden, wenn man während der ganzen Zeit nicht an seinen menschlichen Gegenübern herumspielen darf?

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