Der Schnitt im Schritt

Geschäftsfeld Vagina – der allerletzte Schrei der Schönheitschirurgie

Die Welt wäre ein sehr lebloser Planet, wenn Eitelkeit zu Zeugungsunfähigkeit führte. In diesem Falle bräuchte niemand mehr auf Erden Journalisten, erst recht keine Schönheitschirurgen. Aber da die Dinge nun mal anders liegen, schält sich unser heutiges Thema aus jenem verstörenden Drang des Menschen zur Selbstinszenierung: Wie jüngst der „Spiegel“ meldete, sind Brustvergrößerungen mittlerweile out, der neueste Trend aus dem Verbund von Jugendwahn und plastischer Chirurgie sei die Vaginal-Verjüngung, die werde ab einem gewissen Alter nötig, da die Muskulatur im berüchtigten „Untenrum“ erschlaffe. Vaginal-Verjüngung – selbst einen Hackklotz muss allein das Wort schwer irritieren. Beinahe sieht man ihn vor sich, den Chirurgen – wie er sich (rücklings auf einem Wägelchen) unter die Frau schiebt, sie zu inspizieren; wie er wieder hervorkommt, sich nachdenklich hinterm Ohr kratzend; wie er dann schnaufend zu bedenken gibt: „Oje – des wird ned billich!“ Unsere nahe liegende Frage: Warum setzen sich Frauen dem aus? Betriebswirtschaftlich jedenfalls macht der Einsatz von Kapital zwecks chirurgischer Gestaltung einer Körperzone, die üblicherweise dem Blick einer nur begrenzten Personenzahl während sehr überschaubarer Zeiträume ausgesetzt ist, kaum Sinn. Und zarte Erotik dürfte eher beschädigt werden, wenn sie sich in der Art von Raffinesse erschöpft, zu der ein durchschnittlicher Chirurg mittels Skalpell, Schere und Tupfer fähig ist. Aber so falsch wir diese Neuheit immer finden, völlig sinnlos ist sie nicht, sie kann nämlich immerhin als schlechtes Beispiel dienen. Denn Perfektion ist gähnend langweilig! Schönheit braucht – um vollkommen zu sein – wenigstens einen kleinen Makel. Zudem ist Schönheit ohne Charme sinnlos wie ein Angelhaken ohne Köder. Lässt sich Charme aber selbst unter Aufbietung eines ganzen Chirurgenteams irgendwo hin operieren? Um diesem klebrig-vulgären Jugendwahn des Zeitgeistes einen Klassiker entgegenzustemmen: Es sind die schlechten Früchte nicht, an denen schon die Wespen nagen (Lessing)! Zumal der Blick zum Himmel lehrt: Die Sonne mag zwar Flecken haben – aber sie wärmt uns doch! Jugendliche Schönheit dagegen? Nichts als eine kurzlebige Tyrannei des eigenen Fleisches, man sollte ihre Herrschaft über uns nicht unnötig verlängern. Bei Männern jedenfalls wird sich solcher Trend wohl kaum durchsetzen, sie wissen seit je durch einen versierten Blick nach unten: Aus der Länge des Stils kann man nicht auf die Schönheit der Blüte schließen.

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