Sex für die Ohren

Musik ist von allen Künsten die alltagstauglichste

Wer unter uns schösse sich zum Mond, ohne „Also sprach Zaratustra“ an Bord? Wer unternähme eine Fahrt zum Erdtrabanten ohne Richard Strauss’ Opus 30 bei Start, Flug und Landung? Wir behaupten: Allein die Frage ist utopisch! 99 Prozent der billig und gerecht denkenden Erdenmenschen mit Sinn für ästhetische Korrektheit würden ohne Fanfarenrausch und Paukendonner Mond Mond sein lassen und mit dem Arsch daheim bleiben. Was uns zeigt: Mit Musik geht so gut wie alles; ohne Musik aber gerät Menschenwerk, wenn überhaupt, nur zäh. Zugegeben – auch Michaelangelos „David“, auch Rembrandts „Nachtwache“ sind Kunst. Aber beides ist recht sperrig, und irgendwie fehlt der Pep, irgendwie vermisst man das flüssige Feuer, das durch die Adern rast. Ganz anders aber Musik. Ist sie nicht von allen Künsten die allervielschichtigste? In jedem Falle ist sie die allgegenwärtigste. Überall jault, dröhnt und dudelt es, so als fürchte der Mensch nichts so sehr wie den Lärm im Kopf, der bei absoluter Stille entstehen kann. Und die Folgen für die Binnenkonjunktur wären dramatisch, wenn die Verbraucher nicht mit Werbemelodien durch das Angebot notwendiger Konsumartikel (Klopapier für Linkshänder, rechtsdrehende Mineralwässer) gelotst würden. Allgemein lässt sich über die Musik sagen, dass sie im Leben Orientierung bietet, aber auch den Wechsel der eigenen Persönlichkeit erlaubt: Halten wir uns nur mal vor Augen, wie viele Zahnarztsöhne flennend unter der Last ihres biederen Milieus zusammen brächen, könnten sie dank Hip-Hop nicht ab und zu die eigene Standeszugehörigkeit wie eine zu eng gewordene Schlangenhaut abstreifen und sich auch mal wie ein rüder Kleinkrimineller gerieren. Außerdem ist Musik die Spanische Fliege unter den Künsten, ein Aphrodisiakum, das auf dem Weg durch die Ohren eingeflößt wird. Man setze sich an die Tasten, präludiere, fantasiere und fugiere, flechte dann und wann einen perlenden Lauf dazwischen, tue bei alle dem völlig absichtslos und schaue möglichst dümmlich ins Nichts – und schon hat man im Inneren einer Dame ein wärmendes, knisterndes Feuer entzündet. Manchmal aber verhindert Musik auch einfach nur Schlimmeres. Oben erwähnter Richard Strauss galt zwar als genialer Tonschöpfer, aber als nur mäßig begabter Partylöwe; seine Gattin (Operndiva) schätzte es daher nicht, wenn er ihre Gäste mit täppischer Konversation langweilte, so dass sie ihn bei Empfängen in der eigenen Villa gern wie folgt verscheuchte: „Richardl, sei so gut – geh’ ein bisserl komponier’n!“

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