Die Ehe und der Rastplatz

Was ist Wahrheit?, höhnte Pilatus einst. Heute würden wir trocken erwidern: Wahrheit ist, was interessierte Kreise eifersüchtig hinter mächtige Quader aus Lügen und Halbwahrheiten sperren, um es vorm Blick des Publikums zu verbergen. Wir anderen kämen nie dahinter, gliche nicht unser Gesunder Menschenverstand einer Abrissbirne, wuchtig genug, solch Lügenbastion effektvoll zu demolieren. Ein Beispiel: die bürgerliche Ehe: Offiziell faseln Werbung und Veröffentlichte Meinung stets von ihr als Hort von Glück, Friede, Heimat, Idyll. Blicken wir aber hinter die Fassade, gleicht sie oft einer gotischen Hölle, wie sie ein vor Wut irrer Hironymus Bosch im Wahn gemalt hätte. Die Ehe scheint eine Versuchsanordnung, um nachzuweisen, dass Mann und Frau nicht zusammen passen, konsequent teilen sich folglich im Spanischen die Handschellen und die Ehefrauen das selbe Wort: „Las esposas“. Selbst gemeinsame Urlaubsfahrten bedeuten ab einer gewissen Ehedauer nichts als aufgezwungene Intimität. Wie wir darauf ausgerechnet heute kommen? Tja, immer zur Reisezeit müssen wir von Vorgängen wie diesem berichten: Bei der Fahrt in den Urlaub habe ein 69-jähriger aus Nordbayern seine Ehefrau auf  einem Rastplatz an der A 70 bei Haßfurt vergessen, so eine Polizeimeldung. Erst nach einer halben Stunde sei dem Mann das Fehlen aufgefallen. Die Autobahnpolizei lotste ihn zum Rastplatz zurück. Wir fürchten, von solchen Versuchen, unter Vorspiegelung von Vergesslichkeit dem Pferch institutionalisierter Zweisamkeit zu entfliehen, werden wir in der Osterreisezeit noch öfter lesen.

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